Eröffnungsrede der Ausstellung im Küchengartenpavillon auf dem Lindener Berg in Hannover am 2.April 2017 von Matthias Riemann |
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Mit den Bildern von Ulrich Barth sich zu beschäftigen, heißt: mit gewohnten Sehweisen und Vorurteilen zu brechen.
Ulrich Barth ist von seinem Typ her schon darauf konditioniert, Gewohnheiten, Erwartungen und scheinbare Selbstverständlichkeiten anders gegenüber zu treten. Also, sie anders aussehen zu lassen, sie ins Gegenlicht zu setzen, gegen den Strich zu bürsten. Daher wird das im Blick auf sein Werk keine Überraschung darstellen.
Das wirkmächtigste Vorurteil mag lauten: Künstler sind besonders originell. Das ist auf der einen Seite natürlich richtig und sicher auch bei Ulrich Barth so. Wer mit seiner Hand die Welt berührt und dazu Pinsel Farbe Leinwand so benutzt, dass es scheint, als spielten die drei miteinander um die Wette, wer sich durchsetzt, wer schließlich und endlich obsiegt, wer der oder die schönste im Lande sei – der wird schon deshalb originell sein, weil er einen Vorsprung gegenüber denen hat, die dieses Spiel nicht spielen. Vielleicht heute es in einer Ausstellung zu sehen bekommen – auf jeden Fall es aus einer Distanz heraus betrachten, die alles, was dort erschließbar ist, unter das Vorzeichen der Originalität setzt.
Sicher: künstlerische Kreativität ist insofern originell, als sie aus der Freiheit des Künstlers, aus dem „Sich immer wieder neu Erfinden“ heraus entsteht. Auf der anderen Seite sind längst nicht alle Künstler originell und wollen das auch gar nicht sein. Was meine ich damit? Wer als Künstler heute etwas malt, hat auch schon gestern so gearbeitet. Es ist nicht exakt dasselbe, aber meistens wiederzuerkennen. Selbst in der figurativen Malerei, bei der wir uns angewöhnt haben, mehr auf das Sujet, auf die Objekte, auf die abgebildeten Figuren, Landschaften oder dergleichen zu achten, als bei abstrakten Werken erkennen wir in der Regel, wer das Bild, das ich betrachte, gemalt hat. |
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„Ein typischer Otto
Dix“, ein „Markus Lüpertz“, „Pablo Picasso“ – und was bei gegenständlich
malenden Künstlern schon so ist, findet sich bei abstrakten Künstlern genauso.
Obwohl eine Fläche vielleicht nur Blau ist, wird der geübte Betrachter einen
Yves Klein von einem Tim Ulrichs unterscheiden. Obwohl eine Fläche nur in
rot/orange gehalten ist, verbirgt sich eben bei bestimmten dieser Bilder sofort
ein Mark Rothko dahinter.
Ich will damit sagen: Kunst hat mit Wiederholung zu tun – und in diesem Sinne ist sie nicht originell. Jedenfalls dann nicht, wenn unter Originalität die Verweigerung der Wiederholung gemeint ist. Die künstlerische Leistung liegt vielmehr darin, das Gewohnte, Bekannte, das Eingeübte und sich über die Jahre Wiederholende als Neues zu akzeptieren, auch neu zu machen. Aber doch in einem Prozess, der einem handwerklichen Prozess gleicht. Die Wiederholungen, mit der Kunstfertigkeit eingeübter Gesten, Ausführungen, Striche, sind eine individuelle Leistung, die aus der Freiheit eines Künstlerlebens erwächst, der sich der Künstler nicht verweigert.
Das allerdings ist schwieriger als gemeinhin angenommen. Dagegen steht der Innovationsdruck unserer Zeit, sozusagen das Selbstverständnis der Moderne, flexibel, anpassungsfähig, zur rechten Zeit positiv, usw. zu sein. Wer sein Schaffen in der beschriebenen, handwerklichen Weise begreift, und ich denke, dass Ulrich Barth das tut, plagt sich mit der Erwartungshaltung des verehrten Publikums herum. Er oder sie möchte doch mal originell sein, mal ganz was anderes machen. Warum malt Ulli zur Abwechslung nicht mal ein paar Lilien? Oder diese schönen Scillablumen, die dem heutigen Tag seine Aura verdankt? Oder Leute, Autos, Szenen von Liebe, Gewalt oder sozialem Drama? Dann könnten wir auch ganz anders darüber reden! Bekanntes und Unbekanntes in Beziehung setzen, Entwicklungen markieren, Haltungen zur Welt vergleichen. |
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Aber nein –
Ulrich Barth bleibt ein informell-Maler, Ulrich Barth malt so, wie er zu malen
gelernt hat. Sein Werk ist wiederzuerkennen. Sicher, in dem Werk selber gibt es
Entwicklungen. Einmal Entwicklungen im großen Stil – seine Anfangswerke aus den
frühen 80Jahren entstanden mit größerem Pinsel, waren eh großflächiger im
Auftrag und in der Expressivität - ich würde sagen: Härter, spontaner. Heute sind seine Werke immer noch vom Weiß grundiert, immer noch ohne schwarz, immer noch im sich wiederholenden Spiel der Farben gehalten, aber mit dünnerem Pinsel gemalt, dadurch zeichnerischer, fast spitzer im Ausdruck. Es stellen sich häufiger Assoziationen ein, was vielleicht dargestellt sein könnte: ein Berg, eine Landschaft, eine Basilika vielleicht.
Seine Bilder waren beim Friseur. Sind aber wieder recht wild gewachsen. Und zum anderen spreche ich von Entwicklungen im kleinen Stil, von denen wir hier in der Ausstellung auch ein sehr schönes Beispiel sehen. Denn Ulrich Barth reist gern. Und auf den Reisen entstanden und entstehen Werke, die aufgrund der Farbigkeit der dortigen Umgebung unverwechselbar anders sind. Obwohl eigentlich alles ganz ähnlich ist wie immer, trotzdem sind z.B. die Toskanabilder aus den 80er Jahren als solche zu erkennen, die Farben sind anders, die Inspiration des anderen Lichts ist in die Werke eingegangen.
Das gibt es im Werk von Ulrich Barth immer wieder – heute sehen wir hier in der Ausstellung kleine Aquarelle aus Polen. Sie sind aus drei Gründen sehr interessant: Zum einen weil sie aus Polen sind, die Ostsee hat ein bestimmtes Licht, eine bestimmte Landschaftsaura, die sich zumindest hier assoziieren lässt und im Werkvergleich sich dann deutlich von anderen Aquarellen unterscheidet.
Zum anderen, weil es Aquarelle sind. Früher gab es bei Ulrich Barth keine Aquarelle. Da gab es nur Ölfarben, auf denen wassergebundenen Farben aufgetragen wurden. Langes Warten, bis alles trocken war im gegenseitigen Abstoßungsprozess und dann wieder von Neuem. |
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Und zum dritten, weil sie so klein sind, Miniaturarbeiten, Detailstudien. Dadurch, dass Ulrich Barth seit etlichen Jahren auch diese Aquarelle bearbeitet, haben sich seine großen Werke formal etwas verändert. Aber: Ein Ulrich Barth bleibt ein Ulrich Barth. Im gewissen Sinn ist das eben nichts Originelles: aber rückt uns die Fertigkeit des Künstlers vor Augen, sich dem Mainstream nicht anzupassen und in der dauernden gestischen Wiederholung den eigenen künstlerischen Ausdruck festzuhalten. Er schenkt uns seinen Blick auf die Welt. Er malt ihn immer wieder. Ohne Deutung. Seine Bilder verweigern sich dem politischem oder feuilletonistischem Deutungsinteresse.
Natürlich, hier könnten wir lange diskutieren: Muss die Kunst politisch sein? Soll sie direkt etwas zu der Zeit, in der wir leben, sagen? Soll aus ihr das Bekenntnis zu einer offenen Gesellschaft zu lesen sein? Soll aus ihr eine Empörung zu den Zeitverhältnissen, eine Kritik am Kunstmarkt oder eine entsprechend Beifall heischende Zustimmung kenntlich werden?
Nein, in der Malerei von Ulrich Barth gibt es das auf den ersten Blick nicht. Und auf den zweiten Blick auch nur im abstrakten, verallgemeinernden Sinn, indem wir uns über den Zusammenhang von Wiederholungen und Kopien, von Eigenständigkeit und Vermarktung, von Originalität und innerer Freiheit austauschen. Aber das ist dann natürlich auch eine Aussage!
Wenn nun die ein oder anderen sagen, mein Kind kann das auch! Ulrich Barth stört das nicht
weiter und hat darauf schon oft gesagt: Dann sollen sie es doch tun! Oder wenn
doch jemand wie ich, einen Berg, oder eine Landschaft in den Bildern
erkennt, dann pflegt Ulrich Barth zu sagen: soll er doch! Will heißen: es stört
ihn nicht. Aber das heißt dann genauso: es ist letztlich nicht wichtig. Es
ändert an der Verschlüsselung des Werkes nichts. Diese Verschlüsselung ist
letztlich interessant. Ich würde sagen: Sie ist Ulrich Barths Beitrag zur allgemeinen
Erwartung von Transparenzverhältnissen.
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Wobei:
Die
Titel der Bilder suggerieren, dass sich das Geheimnis des Werkes, doch
irgendwie knacken lässt. Ich verstehe es so: Ulrich Barth will den
Betrachtern seiner Bilder kleine Anfangshilfen geben, die er aber in
seinem Werk
genauso schnell wieder einkassiert. Denn wie soll das konkret
funktionieren:
Blau stiftet Unruhe, oder Orange ist zierlich. Womöglich
küssen sich bald noch
zwei Farben. Die Titel behaupten etwas, was real kaum sein kann. In den
Titeln
bewegen sich die Farben, laufen gegeneinander, übereinander,
stoßen sich ab,
ziehen sich an, bekommen Eigenschaften und Attribute. Mögen sich
oder finden
sich blöd. Orange ist zierlich und Rot fundamental Blau stiftet Unruhe und Violett entzieht sich Rosa beginnt sich zu lösen und Blau sucht Halt Rot reißt ab und Blau hält die Verbindung
D.h., die Farben werden in den Titeln von Ulrich Barth zu Subjekten, die Prädikate nach sich ziehen. Metaphern für Alltagserfahrungen. Aber letztlich etwas, was so oder anders sein kann. So witzig die Titel sind, liegt der Witz darin, dass wir auf sie auch verzichten könnten. Ulrich Barth zielt auf die Lust der Betrachter, über das, was er oder sie vor Augen haben, was er oder sie sehen und das ist nun mal abstrakt, auch zu reden, mit diesen Titeln oder ganz anders. |
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Eröffnungsrede von Frau Dr. Hauser zur Ausstellungseröffnung Ulrich Barth - Malerei am 20.10.2013 im KunstRaum Bremen |
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www.ulrichbarth-malerei.de | ||||
Was mich am meisten an Ulrich Barths Bildern
beeindruckt sind drei Dinge: ihre Farbigkeit, ihre Bewegung und ihre geheimnisvollen Botschaften. Die geheimnisvollen Botschaften zeigen sich dabei in zweierler Weise: in der künstlerischen Komposition der Gemälde und Aquarelle und in den vom Künstler beigegebenen Titeln, wie: "Rot besiedelt und besudelt" oder "Violett ist sauber und Gelb ist rein". Alle drei Komponenten - Farbe, bzw. Farbigkeit; Bewegung, bzw Gestik und formale bzw. sprachliche Komposition - fordern die Betrachter und Betrachterinnen auf je spezifische Art und Weise heraus. Farbigkeit Im Zentrum steht für mich jedoch die Farbigkeit. Die Farbe als malerisches Ausdrucksmittel. Unlängst hat Peter Friese im Rahmen der Ausstellung "Farbe im Fluss" in der Weserburg Bremen dieses zentrale Gestaltungsmittel in der modernen Malerei seit Jackson Pollock systematisch reflektiert. Der amerikanische Künstler war in den 1940er Jahren der erste, der eine Leinwand von oben mit Acrylfarbe und Lack mit "dem ganzen Körper einbeziehenden Bewegungen" bearbeitete, und damit Farbe als formgebendes Material einsetzte. In den Vordergrund traten seit diesem Zeitpunkt die entstandenen Strukturen, weniger die dargestellten Motive. Farbe wurde hier quasi in einem sogenannten "Experimentalsystem Kunst" benutzt. Diesen Begriff hat der Wissenschaftsgeschichtler Hans Jörg Rheinsberger geprägt, um die Ähnlichkeit künstlerischer Verfahren zu wissenschaftlichen Experimenten mit offenem Ausgang zu betonen. In beiden Fällen (- in der Kunst und in der Wissenschaft, A.H.) geht es nicht um ein zielgerichtetes Vorgehen, sondern um Versuchsanordnungen, bei denen etwas Neues, bis dato nicht Bekanntes sich ereignen kann. Die Resultate dieser künstlerischen experimetellen Verfahren können in erster Linie spontan erschlossen werden, "oder durch Erfühlung". Sie stimulieren somit "den freien Assoziationsfluß und die Fantasie der Bertrachter" und Betrachterinnen. |
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Jedoch nicht der Zufall lenkt den Farbfluss, der dem Bild letztlich die Form gibt, schon gar nicht der "Ausdruck künstlerischer Befindlichkeit", resümiert Peter Friese. Sondern ein komplexes Miteinander verschiedener Komponenten und Bedingungen, zu denen auf der einen Seite der Anstoß des Künstlers, auf der anderen Seite aber auch die materiellen Eigenschaften der Farbe, der Grad der Verdünnung, das selbsttätige Fließen, die pendelnde, kreisende oder schlingernde Bewegung und selbstredend die Schwerkraft als physikalische Grundbedingung gehören. | ||||
Sie
sehen hier Ölbilder mit Dispersionsgrund in unterschiedlichen
Formaten und kleinere Aqarelle, die meisten sind neuere Arbeiten von
Ulrich Barth aus den letzten zehn Jahren. Bei Ulrich Barth erscheinen die Farben weniger im Fluss als vielmehr bewegt, sozu- sagen als Gesten. Barth sieht seine Bilder als Ausdruck komplexer Bewegungsabläufe. Er bearbeitet den Grund dabei von oben, nicht an der Staffelei. Bei den Ölgemälden ist der Einsatz der Grundfarbe, eine wasserlösliche Dispersionsfarbe, als Korrekturmittel zentral. Mittlerweile ist dieser Grund nur noch Weiß. Der Künstler konfrontiert das Fett der Ölfarbe mit dem Wasser der Dispersionsfarbe, was unweigerlich zu Abstoßreak- tionen führt. Hier zeigt sich der große Einfluss der Ausbildung Barths zum Lithographen. Er, der schon von Kindesbeinen an mit seinem Tuschkasten gemalt hat, bezeichnet diese Lehre als seine wichtigste Schule. Dort habe er "ein Jahr nur gemalt", Feder- und Strichzeichnungen angelegt und diese anschließend aquarelliert. Das "Prinzip der Lithographie" habe seine Malerei zentral beeinflußt. Doch was ist das Prinzip? |
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"Der Steindruck gehört zu den
Flachdruckverfahren und beruht darauf,
dass ein feuchter Stein mit fetthaltiger Farbe eingewalzt wird, der die
Farbe jedoch abweist, denn Fett und Wasser verbinden sich nicht,
sondern stoßen sich ab. Die zuvor auf den Stein aufgebrachte
Zeichnung
nimmt jedoch die Farbe an. Wird der Stein nun mit einem speziell
beschichteten Papier oder Karton bedeckt, wird die Zeichnung durch
hohen Pressdruck vom Stein auf das Papier übertregen. Doch Barth entwirft nicht ein fertiges Bild und setzt dieses im Steindruck um, er experimentiert so lange bis er das Bild gut findet. D.H. der Malvorgang ist ein ständiger Prozess von "Trocknen, mischen, auftragen, wieder trocknen, korrigieren, einfügen, trocknen, übermalen, sich abstoßen lassen. Die spätere Dynamik, die zentrale Bewegung und Gestik seiner Bilder, spiegelt sich so im Fertigungsprozess wieder. Mit seiner zweiten Technik, der Aquarellmalerei empfindet Barth die in der Ölmalerei gemachte Erfahrung mit anderen Mitteln nach. Da das Aquarell den Grund durchscheinen lässt, während dieser in der Ölmalerei im Allgemeinen verschwindet, muss Barth dabei nach neuen Lösungen suchen. So stehen Öl- und Aquarellbilder zwar zueinander in Beziehung, vermitteln jedoch aufgrund der Technik und Materialität ganz unterschiedliche Empfindungen. Meist sind es Zyklen, die Barth als Aquarelle malt. Der Zyklus "Ostern" z.B. entstand bei einem Malaufenthalt auf Sylt, ein anderer, den sie hier sehen, während eines Besuches in Polen. Vielfach tauchen in den Zyklen Erfahrungen auf, wie konkrete Gebäude oder Stimmungen, im Wahrsten Sinne des Wortes "österliche". |
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Damit kommen wir zum zweiten zentralen Prinzip
Barths: der Bewegung oder Gestik Hier ist der Schaffensprozess wesentlich. Das Zueinander von Wasser- und Ölfarben verlangt einen exzessiven, mitunter spontanen Umgang mit dem vorgesehenen Farbmaterial. Im Experimentieren entsteht Neues und der Künstler gewinnt im Akt des Malens neue Kenntnisse. Das Ergebnis muss sich dann einer Kontrolle oder Korrektur unterwerfen. Farben sind dabei Ausdrucksmittel, wobei ihre Beziehungen zueinander wesentlich sind. Sie wirken "auf den Raum und die Formen ein, die sie entsprechend der von ihnen hergestellten Beziehungen gestalten und ändern". Farben gewinnen z.B., wenn sie sich von einem dunklen Grund abheben, an Kraft. Auf einem hellen Grund, den Ulrich Barth benutzt, müssen von daher andere Wirkmächte eingeplant werden, um Strukturen in ihrer Einzigartigkeit sichtbar zu machen. Barth benutzt hier einmal die energetische bzw. gestische Ausnutzung des Raumes der Leinwand, zum anderen das Übermalen von Farbe mit weißem Grund, was die Farben zurückdrängt und eine gewisse Leichtigkeit vermittelt. Leichtigkeit zu erzielen, dies ist ein zentrales Grundprinzip in der Malerei von Barth. Treffen Eigendynamik und materielle Beschaffenheit der Farbe auf den Duktus des Künstlers, geschieht das Unvorhergesehene und evoziert eine spezifische Bewegung, bzw. Gestik. |
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Zugleich gestalten Farben selbst eine Raumwirkung. Wir kennen die Unterscheidung in kalte und warme Farben. Die warmen Töne, die sich von Gelb über Orange zum Rot erstrecken, rufen bei uns den Eindruck des "Vorrückens" hervor, die kalten Töne vom Grün über Blau zum Violett, den des "Zurückweichens". Das vorrückende, hab-acht-auslösende Rot, wird in unserer Verkehrsregelung von daher gezielt für Verbote - z.B. Durchfahrt verboten; Vorsicht!; etc. -eingesetzt. Mit der Wahl der Farben kann die Raumwirkung moduliert werden. | ||||
Deshalb
vermitteln sich die Botschaften der Bilder in Form der Farbigkeit und
Komposition auf der einen Seite, der beigegebenen Titel andererseits. Ulrich Barth verleiht die Titel immer erst nach der Fertigstellung des Bildes, indem er das Dargestellte meditiert. In Bildtitel, die eine abhängige und zugleich unanhängige, poetische Seite von Barths Kunst darstellen, fungieren Farben als Subjekte mit eigenen Gefühlen und Handlungsweisen: Blau steigt an und Gelb bläht auf Violett ist schräg drauf und Gelb gespalten Orange steigt auf unf Violett will sich widersetzen Gelb verzweifelt an Blau und Rot ist nicht zu bremsen - um nur einige zu nennen. Sie zeigen die Wirkmächtigkeit der Farben in unserem Alltagsbewußtsein, ansonsten könnten sie nicht diese menschlichen Dimensionen evozieren. |
Frau Dr. Andrea Hauser bei der Ausstellungseröffnung im KunstRaum Bremen 2013 | |||
"Blau zeigt Größe und Gelb
Weite", so lautet der Titel eines der zentralen Bilder von Ulrich Barth dieser Ausstellung. Es stammt aus diesem Jahr, genau vom 3. 5. 2013 (Tag der Fertigstellung). Tatsächlich suggeriert das großzügig aufgetragene Gelb, in einem helleren und in einem mehr ins Orange gehenden Tons vor dem weißen Dispersionsgrund, Weite, aber auch Tiefe. Das Blau dagegen erscheint eher marginal zu sein, obwohl es das Bild zentral strukturiert. Größe zeigt es hier wohl in wörtlichem Sinne, indem es sich behauptet gegenüber der überquellenden Energie des Gelbes. Nur an ganz wenigen Stellen "besiegt" das Gelb das Blau, indem es das Blau inkorporiert und grün wird. Ansonsten kann das Blau seine Konturen wahren und gibt der Gestik des Bildes als Grund eine ungeheure Kraft. Zentral ist in diesem Bild das Weiß, das Barth gerne als Korrekturmittel einsetzt. Es verbindet und grenzt zugleich ab. Durch diese Komposition entsteht vor unserem Auge eine Farblandschaft, die so oder so gesehen werden kann. Allerdings nicht unabhängig vom eigenen Gefühlshaushalt. Durch das Zusammenspiel der Farben mit einem bestimmten Rhythmus der Handfestigkeit des Künstlers und mit der unwandelbaren Bildfläche entsteht so Bewegung im Raum. Raum ist hierbei die Bildfläche selbst, aber auch die Umgebung des Bildes, die mitbewegt wird. |
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Die Bilder gehen keineswegs im Titel auf, wie
hier in diesem Titel: "Blau zeigt Größe und Gelb Weite" Die nachträglich geschaffenen Titel sind im Prinzip ein zweiter schöpferischer Akt Barths, durch den mit Poesie und Satzprägnanz, sowie einem nicht zu übersehenden Sprachwitz, die Phantasie des Betrachters angeregt werden soll. Es bleibt die Aufgabe des Betrachters und der Betrachterin sich in die dargebotene Logik der Bilder zu versetzen und dadurch selbst eine gewisse Sprachgewalt zu erlangen. Schon allein dieser klammheimliche Zwang, den die Bilder durch Farben, Form und Titel auslösen, macht sie so interessant. Gaston Bacheland sagte einmal in seiner Poetik des Raumes: "Man kann den anderen nur die Richtung zum Geheimnis weisen, ohne jemals objektiv das Geheimnis beschreiben zu können", Ich hoffe, dass ich in diesem Sinne etwas richtungsweisend sein konnte bei der Suche nach dem Geheimnis, der hier präsentierten Bilder und danke ihnen für ihre Aufmerksamkeit. |
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